Wenn wir Scrum nutzen, stehen wir vor besonderen Herausforderungen. Eine zentrale Herausforderung ist, dass am Ende eines Sprints ein benutzbares Produktinkrement vorhanden sein muss. Und um dieses Produktinkrement vorzeigen zu können, hat das Scrum-Team maximal 4 Wochen zur Verfügung. Zusätzlich ist es als komplettes Team für die Ergebnisse verantwortlich. Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, benötigen wir verschiedene Fähigkeiten.
Bei der Recherche zu diesem Artikel kam bei mir öfters die Frage auf, ist der Punkt nun eine Fähigkeit oder doch Wissen und was unterscheidet beides voneinander? Deshalb wollen wir vorher klären, was Fähigkeiten von Wissen unterscheidet.
Um dem aktuellen Trend um künstliche Intelligenzen zu folgen, habe ich ChatGPT nach Definitionen von Wissen und Fähigkeiten gefragt. Das hier habe ich als Antwort bekommen: „Wissen und Fähigkeiten sind ähnliche Konzepte. Wissen bezieht sich dabei auf die Kenntnis von Informationen, Fakten und Grundsätzen. Fähigkeiten bezeichnet das können, um eine bestimmte Aufgabe oder Handlung durchzuführen.
Wissen ist also die Ansammlung von Informationen, die eine Person durch die eigene Erfahrung oder das Studium bekommt. Fähigkeiten beziehen sich auf Kompetenzen oder die Eignung einer Person, das Wissen zur Ausführung bestimmter Aufgaben anzuwenden.“
Für eine erste Spur, um auf die notwendigen Fähigkeiten zu kommen, die für alle Teammitglieder wichtig sind, können wir zuerst in den Scrum-Guide schauen. Dort finden wir 5 Werte, die jedes Teammitglied vertreten und verinnerlicht haben sollte.
Eine erste Spur, um Fähigkeiten zu identifizieren, welche für die Teammitglieder wichtig sind, führt zum Scrum-Guide. Dort finden wir 5 Werte, die jedes Teammitglied vertreten und verinnerlicht haben sollte. Die 5 Werte sind:
- Commitment
- Focus
- Openness
- Courage
- Respect
Unter Commitment ist gemeint, dass jeder im Scrum-Team sich für die eigene Arbeit und das Produkt verantwortlich fühlt, Zusagen ernst nimmt und diese auch einhält.
Focus meint, dass sich die Teammitglieder auf die Aufgaben konzentrieren, die wichtig für den Sprint sind. Es ist zuallererst eine Ermahnung an die Teammitglieder, aus welcher sich dann aber auch Konsequenzen für die Organisation um das Team herum ableiten lassen.
Das Team muss damit umgehen können, wenn sich Pläne anders entwickeln oder diese nicht funktionieren und deswegen nach neuen Lösungen gesucht werden muss. Dies verstehen wir unter Openness.
Unter Courage verstehen wir den Mut, neue Wege auszuprobieren und damit Fehler zu riskieren und auch unangenehme Wege zu gehen.
Respect meint sowohl den respektvollen Umgang innerhalb des Teams als auch zwischen verschiedenen Teams und dem Umfeld.
Allerdings sind dies laut Scrum Guide erstmal Werte und noch keine Fähigkeiten, daher schauen wir uns jetzt mal, welche Fähigkeiten sich aus diesen Werten ergeben und welche anderen Fähigkeiten wir noch identifizieren können.
Commitment
Um den Wert Commitment leben zu können, sind folgende Fähigkeiten wichtig:
Qualitätsbewusstsein
Es ist wichtig, dass die Developer, der Product Owner und der Scrum Master das gleiche Verständnis für Qualität haben. Die Developer stehen dabei für die technische Qualität ein und müssen auch unter Zeitdruck sauber arbeiten. Durch das saubere Arbeiten werden keine technischen Schulden verursacht, wodurch Probleme in der Zukunft vermieden werden. Gerade am Anfang eines Projektes dauert es länger qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten. Die Vorteile im späteren Projektverlauf sind, die Wartung und die Weiterentwicklung des Produkts. Somit wird durch höher qualitative Arbeit am Ende Zeit und Geld gespart. Der Product Owner muss dieses Qualitätsverständnis teilen und den Stakeholdern dieses erklären und verteidigen. Ein guter Leitsatz ist hierbei: „Qualität ist nicht verhandelbar“. Der Product Owner ist zusätzlich dafür verantwortlich, durch die Arbeit des Scrum Teams den Mehrwert für die Anwender und das Unternehmen zu steigern. Dies kann nur gelingen, wenn die Anforderungen an das Produkt klar ausgearbeitet sind und somit auch kommuniziert werden können. Somit ist der Product Owner für eine fachliche Qualität verantwortlich.
Vertrauen
Generell ist es immer gut, Vertrauen im Team zu haben. Trotzdem wollen wir uns diesen Punkt genauer anschauen und herausfinden, warum genau Vertrauen wichtig ist. Intuitiv könnte man annehmen, dass man im klassischen Projektmanagement weniger Vertrauen haben muss als in Scrum, da im klassischen Projektmanagement alles im Voraus geplant ist. Wohingegen es bei Scrum so scheint, dass weniger geplant wird und daher den einzelnen Teammitgliedern und dem ganzen Team mehr vertraut werden muss. Ich behaupte aber, dass in Scrum weniger Vertrauen vorhanden sein muss als im klassischen Projektmanagement. Dafür gibt es einige Faktoren. Zuerst ist Scrum sehr transparent, dadurch ist es schwieriger Fehler zu verbergen. Dafür haben z.B. wir das Daily Scrum, bei dem alle Developer zusammenkommen und sich darüber abstimmen, was seit gestern erledigt wurde, woran heute gearbeitet wird und wo es eventuell Probleme gibt. Insgesamt basiert Scrum auf der Arbeit mit Feedbackschleifen wodurch diese hohe Transparenz entsteht.
Active Learning
Active Learning bezeichnet die Bereitschaft aller Teammitglieder sich ständig weiterzubilden. Rein theoretisch könnte es sein, dass entweder vereinzelt oder alle Teammitglieder schon alles Nötige für ein Projekt wissen oder können und dieser Punkt damit wegfällt. Das ist aber eher unwahrscheinlich.
Focus
Der Wert Focus spricht die folgenden Fähigkeiten an:
Verständnis der Wertschöpfung
Das Verständnis der Wertschöpfung können wir in die Planung und die Durchführung des Sprints unterteilen. Bei der Planung muss sich der Product Owner Gedanken darüber machen, welche Anforderungen den Mehrwert des Produkts am meisten steigern. Es müssen also die Anforderungen bewertet werden und es muss ein Unterschied zwischen Wichtigem und Unwichtigen Anforderungen erfolgen. Bei der Durchführung ist es wichtig, dass sich die Developer auf das Sprint Goal konzentrieren und sich dabei nicht ablenken lassen. Diese Ablenkungen können sowohl Störungen aus der Organisation sein oder eigene Begehrlichkeiten. Die Developer erkennen, was wichtig ist, um das Ziel zu erreichen.
Zeitmanagement
Das Zeitmanagement zielt darauf ab, dass die Developer ein Bewusstsein entwickeln, auch während des Sprints den Fortschritt zu überprüfen und damit möglichst früh zu verstehen, ob das Sprint-Goal erreicht wird. Dadurch soll verhindert werden, erst am Ende des Sprints herauszufinden, dass Funktionalitäten nicht umgesetzt werden. Die Developer behalten also einen Überblick über die schon umgesetzten bzw. über die noch zu bearbeitenden User-Storys und vergleichen den Fortschritt mit der verbleibenden Zeit.
Openness
Für Openness benötigen wir:
Kommunikation
Die Fähigkeit zu kommunizieren, meint dabei für den Product Owner, dass dieser mit den Stakeholdern im Austausch sein muss, um deren Ideen zu verstehen und diese auch an die Developer weiterzugeben. Wichtig ist diese Fähigkeit auch zwischen den Developern und dem Product Owner. Es ist dadurch möglich, auftretende Probleme früh gemeinsam zu identifizierten und neue Lösungswege zu erarbeiten. Die Developer erhalten so auch Feedback vom Product Owner und erfahren, ob die Umsetzungen den Erwartungen entsprechen.
Teamfähigkeit
Dies bedeutet, dass sich die verschiedenen Verantwortlichkeiten gegenseitig bei Problemen helfen und unterstützen. Die Developer sollten dies sowieso tun, um dem Wert Commitment zu leben. Aber auch der Scrum Master und Product Owner müssen beide im Team arbeiten können, denn nur durch die Zusammenarbeit der drei Rollen kann es am Ende eines jeden Sprints ein benutzbares Produktinkrement geben. Gleichzeitig ist damit eine Unterstützung gemeint, bei welcher die Einzelperson nicht die auf die eigenen Ziele hinarbeitet, sondern immer das komplette Projekt im Blick hat.
Das Verständnis der Wertschöpfung ist ebenfalls wichtig, wurde aber unter dem Punkt Focus schon besprochen und wird dementsprechend hier nicht wiederholt.
Courage
Die Courage wird durch folgende Fähigkeiten gelebt:
Konfliktfähigkeit
Konfliktfähigkeit ist die Bereitschaft, sich einem Konflikt zu stellen und diesem konstruktiv zu lösen. Diese Fähigkeit ist für alle Mitglieder des Scrum Teams wichtig, da diese mit unterschiedlichen Personen kommunizieren und zusammenarbeiten.
Konfliktmanagement
Beim Konfliktmanagement geht es, um die Kompetenz, Konflikte mit Techniken aus dem Bereich der Kommunikation und des Coachings produktiv und klar zu lösen. Dabei sollte mindestens eine Person aus dem Scrum-Team diese Fähigkeit besitzen. Dies muss nicht unbedingt der Scrum Master sein. Vielmehr sollte dieser das Scrum-Team unterstützen, diese Fähigkeit zu entwickeln und somit zu einem selbst managenden Team zu werden.
Überzeugungskraft
Der Product Owner muss eine Vision des Produkts entwickeln und diese an die Stakeholder und Developer kommunizieren. Gerade bei der Kommunikation mit den Stakeholdern muss der Product Owner begründen können, warum welche Features umgesetzt werden und welche nicht. Dazu gehört auch die Erklärung, warum Features eventuell anders umgesetzt wurden als es sich die Stakeholder vorgestellt haben.
Im Verlauf eines Projekts entstehen bei Personen Widerstände, bei diesen Personen muss es der Scrum Master schaffen eine Bereitschaft herzustellen sich neuen Ideen oder Möglichkeiten überhaupt anzuhören. Dabei wird der Widerstand gegen die Idee abgebaut und eine Offenheit für neue Ideen erzeugt. Es geht dabei jedoch nicht darum, die Person von der Idee zu überzeugen oder sogar zu überreden, sondern, dass diese sich die Idee anhört und über diese nachdenkt.
Respect
Respekt innerhalb des Teams ist essenziell, da es durch die Transparenz und ergebnisorientierte Arbeit schnell zu Konflikten kommen kann. Diese müssen angesprochen und es muss eine konstruktive Lösung gefunden werden. Dabei ist es wichtig, dass die Teammitglieder nach dem Konflikt weiterhin zusammenarbeiten können.
Die beiden folgenden Punkte sind ebenfalls wichtig für den Respect, wurden aber in vorherigen Absätzen schon besprochen.
- Die Zusammenarbeit als Team
- Konfliktmanagement
Scrum
Es gibt eine weitere Fähigkeit, auf die ich in diesem Zusammenhang eingehen möchte. Diese ist das Wissen über Scrum.
Je mehr alle Beteiligten vorab über Scrum wissen, desto leichter fällt der Start mit dem agilen Arbeiten, wodurch der Scrum Master weniger Aufwand hat, Scrum im Team zu etablieren. Kollegen, die schon über Wissen in Scrum verfügen haben, kennen schon die Werte, Abläufe und Events, die stattfinden. Sie müssen also nicht alles neu lernen und finden sich schneller im Scrum Framework zurecht. Es ist möglich, dass Sie durch Ihre Erfahrung anderen Teammitgliedern helfen, schneller mit Scrum vertraut zu werden, sodass diese dann sicherer im Umgang mit Scrum werden.
Durch dieses Wissen unterstützen Sie den Scrum Master bei der Einführung und Akzeptanz von Scrum im Team.
Obwohl Kenntnisse oder sogar Erfahrungen mit Scrum oder agilem Arbeiten bei den Developern und dem Product Owner sehr wünschenswert sind, sind sie jedoch keine zwingende Voraussetzung für den Start mit Scrum. In diesem Fall unterstützt der Scrum Master die anderen dabei, Scrum beim aktiven Einsatz Schritt für Schritt immer besser zu erlernen und zu verstehen
Scrum Master
Für den Scrum Master gibt es noch einige weitere spezielle Fähigkeiten, die dieser besitzen muss, vor allem da er auch in der Organisation Scrum einführen und etablieren soll. Dies kann je nach Größe der Organisation unterschiedlich lange dauern. Daher ist eine sehr grundlegende Eigenschaft für den Scrum Master Geduld und Nervenstärke, um auch über lange Zeit eine Veränderung in der Organisation bewirken zu können.
Diese Veränderung zu bewirken, dauert meistens lange und ist nur durch kleine Schritte und Erfolge möglich. Es müssen die verschiedensten Personen von den Vorteilen der Agilität und Scrum überzeugt werden. Teilweise wollen diese Personen auch erst abwarten, wie das Scrum-Team arbeitet und ob es eine höhere Kundenzufriedenheit schafft. Hierbei muss sich der Scrum Master im Klaren sein, dass dieser mit dem komplexesten System arbeitet, das man sich vorstellen kann: dem Menschen.
Fazit
Wir können die Scrum Werte als Grundbausteine verstehen, auf denen wir dann als Team aufbauen. Diese helfen uns für eine gemeinsame Sicht- und Verhaltensweise. Gleichzeitig sehen wir, dass wir durch die Kombination der verschiedenen Werte unterschiedliche Fähigkeiten identifizieren können, die benötigt werden, um als Team zu arbeiten und Scrum
umzusetzen. Wir sehen, dass die Ausprägungen, wie die Fähigkeiten im Einzelnen umgesetzt werden, je nach Verantwortlichkeit unterschiedlich sind.